Literaturbetrieb als Freizeitvergnügen
Georg Springmann und Christoffer Krug stellen „Lemming-Verlag“ auf Buchmesse vor
12.10.2011 – GIESSEN
Von Annekatrin Bertram
Manche Leute platzen vor Tatendrang. Die Gießener Georg Springmann und Christoffer Krug gehören dazu. Da heißt es nicht: Darüber würde es sich zu schreiben lohnen. Da wird einfach losgelegt und geschrieben und gemacht. Mittlerweile sogar im eigenen Verlag. Mit dem, ein paar Büchern und dem klaren Ziel: „Wir wollen ganz groß rauskommen“, geht es heute auf die Frankfurter Buchmesse.
„Versonnen strich Peter über die Rückspultaste seines Kassettenrekorders. Man musste sie richtig tief runterdrücken. Je tiefer man drückte, desto schneller lief der Rücklauf.“ Na, was soll denn daran peinlich sein? Ein paar Seiten später und in den Geschichten danach wird es richtig unangenehm. „Lego“ beispielsweise überschreibt die Geschichte eines Jugendlichen, der sich nichts traut und seine einzige Chance dann verpasst, als ihn die attraktivste aller Mitschülerinnen im Schneidersitz auf dem Spieleteppich erwischt: „Peinlich, peinlich.“
Georg Springmann, Arzt von Beruf, hat sich in seiner knapp bemessenen Freizeit hochroten Köpfen verschrieben. Dem eigenen, und denen seiner Freunde. Ganz lapidar lautet der Untertitel „Schlimme Kurzgeschichten“.
Und da ist noch einer, der trotz Rettungswagen und Dienste schieben einfach so und nebenbei ein bisschen Prosa verfasst, Buchumschläge gestaltet und Rezensionen schreibt. „Mehr und Mehr“ heißt Christoffer Krugs Erstlingswerk. Inspiriert durch eine Reise nach Indien lässt er Enddreißiger auf der Suche nach dem Sinn des Lebens in der als absurd empfundenen Fremde aufeinandertreffen. Das war 2009. Ein Jahr später folgte, dem OP-Kittel zum Trotz, Poetisches mitten aus dem Operationssaal. Fernweh ist das Thema der englischsprachigen Kurzgedichte und Fotografien in „Come On, Paint Me a Wound“.
Bücher schreiben, über was auch immer ihnen gerade durch den Kopf geht, war gestern und wird auch in Zukunft wieder sein. Ganz aktuell treibt die Beiden was anderes um, und das nimmt so langsam professionelle Züge an. Der Herbst 2011 gehört der Buchmesse. Ja, der Frankfurter Buchmesse und zu Gast ist nicht nur Island, sondern auch der kleine Lemming-Verlag aus Gießen. Den haben die beiden im vergangenen Jahr kurzerhand gegründet. „Wir haben Bücher, die sonst keiner produziert“, heißt es charmant-witzig auf www.lemming-verlag.de. Jenseits der Internetseite geht es nachdenklicher zu: „Es tut einfach gut, was auf die Beine zu stellen, neben dem Job.“ Allem Autoren- und Verlegerdasein voran liegt die eigentliche Schnittmenge der Freunde und Kollegen nämlich im hiesigen Uniklinikum. Der eine Anfang dreißig, der andere eher Ende, sind sie aus Köln und Werne an der Lippe zum Studium hier aufgetaucht, sind geblieben, besitzen mittlerweile Grund und Boden und auch was oben drauf.
Ob zweites Standbein oder nur was auf die Beine stellen, mit acht Werken im Gepäck geht es heute nach Frankfurt. Da sind nämlich noch „Tizian der Schäfer“ und Hasen, die lange Beine haben und Kinder auf ihrer Entdeckungsreise durch Feld, Wald und Flur begleiten. Da ist auch Romanautorin Nina de Bloos, die in „Martingal“ und in einer kurzen Affäre zum Reitlehrer selbstkritisch die Probleme des Älterwerdens verarbeitet. Oder Krugs Großeltern, deren Briefwechsel in „Buchstaben über der Stadt“ eine gleichermaßen komplizierte wie bewegende Liebesgeschichte zu Zeiten der Berliner Luftbrücke erzählt. Und nicht zu vergessen, Springmanns „Herzblut aus Studienzeiten“. Mitsamt der neu entdeckten andalusischen Lebenslust hat sich Georg Springmann nämlich schon 2006 in „Jein“ verewigt. Hier reicht querlesen, um zu wissen, dass es darum ging, unüberschaubare Abgrenzungsschwierigkeiten zur nicht endenwollenden Cola de Ninjas, was die Mädchenschlange ist, zur Schau zu stellen. Heute kann er darüber lachen, konnte er auch damals, und weil er ein Mann ist, meint er es wohl doch irgendwie immer noch ernst.
Wer wissen will, wie es zwischen den Buchdeckeln von „Peinlich, Peinlich“, „Jein“ und Co. weitergeht, Lust hat auf eine Runde herzliches Geplauder und unbedingt die Geschichte vom Biber hören will, dem der Schwanz abgeschnitten wurde, um zum Lemming zu werden, weil es einen Biber-Verlag schon gibt, der gehe bis zum 16. Oktober in der Halle der Kleinstverlage vorbei.